Von Klein an!

MicMac, 57 Jahre

Ich kann mich noch daran erinnern, als mich meine Eltern Anfang der 1970er Jahre ins Autokino mitgenommen haben. Damals war es so, dass vor dem Film ein Trailer für die Spätvorstellung gezeigt wurde, die dann – typisch für die damaligen Zeiten – ein erotischer Film war.

In der Vorschau für den cineastischen Spätakt war eine schöne Frau zu sehen, behaart im Intimbereich als auch unter den Achseln. Ich habe diese wenigen Sekunden an Filmmaterial auch fast 50 Jahre später – wenn auch sehr verschwommen – noch vor Augen.

Ich stamme aus einer gutbürgerlichen Familie, war Messdiener und bin nicht antiautoritär erzogen worden. Aber meine Eltern sind mit uns Kindern sehr oft in den Nacktbadeurlaub gefahren. Somit ist Hüllenlosigkeit für mich bis heute ein normales Gefühl und in erster Linie weder erotisch noch sexuell besetzt.

Als ich 16 Jahre alt war, haben wir die Ferien auf einem FKK-Campingplatz in Frankreich verbracht. Ende der 1970er Jahre war Schambehaarung noch überhaupt nichts Ungewöhnliches und ein ganz normaler Anblick auf dem Gelände und am Strand. Dort hatte ich meine erste sexuelle Erfahrung. Karin war fünf Jahre älter, und ich habe mich nach dem Geschlechtsakt mit meinem Körper in ihren behaarten Schoß gelegt.

Ich weiß nicht, ob das ein Schlüsselerlebnis war, aber mir war frühzeitig bewusst, dass ich den Typ Frau bevorzuge, der eine ganz natürliche Ausstrahlung hat, gerne barfuß läuft und nicht rasiert ist am Körper.

In der Folgezeit hatten nicht alle meine Partnerinnen einen haarlvollen Intimbereich, und es gab sogar eine, wenn auch nur kurze Zeit, in der ich mit Körperbehaarung wenig anfangen konnte.

So um 2008 herum, habe ich mir sowohl Brust- und Intimhaare entfernt. Ich war beruflich viel unterwegs, häufig auf Partys und Veranstaltungen eingeladen und dachte, Körperbehaarung passt jetzt einfach nicht mehr in die Zeit. Ich konnte mir auch nur schwerlich eine Frau vorstellen, die im Abendkleid und mit Haaren unter den Achseln einen Cocktail schlürft.

Stattdessen schmückte ich mich mit zwei Brust-Piercings. Als ob ein behaarter Intimbereich mehr Aufmerksamkeit erregen würde als zwei Stahlringe durch die Brust!

Aber während ersteres mehr und mehr verpönt war, bediente zweiteres den Mainstream-Zeitgeist.

Natürlich waren meine Vorlieben nicht von heute auf morgen verschwunden. Somit ging ich mit mir selbst nicht allzu streng ins Gericht, mich einer von außen aufgedrückten gesellschaftlichen Norm gebeugt zu haben, zumal ich in der Folgezeit umso mehr ein Liebhaber und Verteidiger der körperlichen Haarpracht wurde.

Aber als Mann lässt sich das so einfach sagen. Wie mühsam muss es für viele Frauen in den letzten Jahren gewesen sein und ist es wohl immer noch, sich für das, was sie an sich lieben, rechtfertigen zu müssen und dabei von einem Teil der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden, Das muss man schon ein starkes Selbstbewusstsein haben oder es sich erarbeiten. Aber wozu sich für etwas anstrengen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte?

Ich kann mir inzwischen nur schwerlich eine Partnerin vorstellen, die nicht zumindest unter den Achseln und im Bereich der Vulva behaart ist – und das auch mit aller Selbstverständlichkeit nach außen vertritt.

Körperhaare sind archaisch, ungestüm, riechen gut, stehen für Selbstbewusstsein und Natürlichkeit. Ich persönlich verbinde sie aber auch mit Zärtlichkeit, Wärme, Vertrauen und sich fallenlassen können.

Und egal ob nun aus erotischer oder emanzipatorischer, gesellschaftlicher Betrachtungsweise: Körperhaare sind für mich einfach nur Ausdruck von ganz spezieller Schönheit.

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